Ausgangspunkt: die Schülerinnen und Schüler und ihre Bildungsprozesse
Ausgangspunkt sonderpädagogischen Handelns sind Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Bildungs-anspruch in den Förderschwerpunkten "Geistige Entwicklung" und "Körperlich-motorische Entwicklung" in ihrem individuellen Bildungsprozess. Im Rahmen dieses Prozesses setzen sich die Schülerinnen und Schüler aktiv mit ihren komplexen Umwelten auseinander, um Orientierung zu erhalten, Begriffe zu bilden, Kompetenzen zu erwerben und gegebenenfalls Einfluss auf die Verhältnisse nehmen zu können. Schulisches Lernen spielt hierbei eine wesentliche Rolle. Hier weiten Schülerinnen und Schüler ihre Sicht auf die Welt und lernen neue Handlungsmöglichkeiten kennen. Sie geben dabei als Akteur ihrer Entwicklung ihrem Lernen eine Richtung bzw. geben zu erkennen, was aus ihrer Sicht aktuell und perspektivisch Sinn macht. Diese individuellen Bedeutungshorizonte bedürfen der Spiegelung durch Lehrkräfte, um die Resonanz zu erhalten, die notwendig ist, die eigenen Weltsichten, Lernperspektiven bzw. beruflichen Vorstellungen zu hinterfragen, zu erweitern bzw. zu verändern.
Aus der Auffassung der Schülerinnen und Schüler als Subjekte ihres Bildungsprozesses, die sich mit ihrer Lebenswelt auseinandersetzen, begründet sich eine spezifische, aktive Rolle der Fachlehrkräfte Sonderpädagogik im Rahmen dieser individuellen Bildungsprozesse: Sie sind zunächst Beobachter, die Initiativen, Interessen, verbale bzw. nonverbale Hinweise etc. der Schülerinnen und Schüler strukturiert wahrnehmen, unterstützen und diese im Weiteren zur Grundlage von individuellen und gruppenbezogenen Bildungsangeboten machen. Die von den Schülerinnen und Schülern ausgehende Bildung ist so verstanden ein professionell unterstützter kooperativer Prozess, der im Grundsatz von den Lernenden ausgeht und über Prozesse der Lernberatung und der Gestaltung von Lernarrangements seine Unterstützung findet. Fachlehrkräfte Sonderpädagogik haben demnach die Aufgabe, Schüleraktivitäten und Teilhabemöglichkeiten mit fachlichen und fachdidaktischen Aspekten in Passung zu bringen.
Konsequenzen: die Professionalisierung angesichts bisheriger Berufsbiographien
Bildungsprozesse der Schülerinnen und Schüler individuell und auf die jeweiligen Lebensbedingungen zugeschnitten zu unterstützen erfordert von den Fachlehrkräften Sonderpädagogik und den Technischen Lehrkräften eine spezifisch sonder-/pädagogische Professionalisierung. Grundlegend anerkennen die Fachlehrkräfte die Diversität aller Kinder und Jugendlichen und sehen in der schulischen Inklusion den Auftrag, die Bildungsansprüche von Schülerinnen und Schülern mit und ohne sonderpädagogischem Bildungsanspruch unterrichtlich zu berücksichtigen. In Bereichen der frühkindlichen Bildung wie Frühförderung, Kindertageseinrichtung und Schulkindergarten begleiten und fördern Fachlehrkräfte die Bildung und Entwicklung der Kinder. Sich hierbei mit den Eltern bzw. den Familien zu beraten sowie interdisziplinär zu kooperieren sind als unerlässlich synergetische Bestandteile der professionellen Arbeit zu werten. Für einen Übergang in ein selbstbestimmtes und ein Leben als junger Erwachsener mit Be-schäftigung und Beruf vermitteln Fachlehrkräfte grundlegende Kompetenzen der Selbstständigkeit und unterstützen den Übergang.
Auf diesen Qualifizierungsprozess zielt die Ausbildung an den Pädagogischen Fachseminaren. Als bedeutsame Ausgangspunkte für die Ausbildung stellen sich die unterschiedlichen Vorberufe und die damit einhergehenden Berufserfahrungen der Anwärterinnen und Anwärter dar. Aufbauend auf diesen Kompetenzen bieten die Fach-seminare im Rahmen ihrer Seminarangebote wissenschaftlich fundierte Orientierungen an und eröffnen entsprechend in den Ausbildungsschulen umfassend konkrete Erfahrungs-, Umsetzungs- und Reflexionsmöglichkeiten. Der Ausbildungsprozess bezieht sich sowohl auf die Entwicklung grundlegender pädagogischer als auch spezifisch sonderpädagogischer Kompetenzen, die sich auf Fragestellungen fachlich-inhaltlicher, didaktisch-methodischer, kommunikativer, diagnostischer und beratend-moderierender Art beziehen. Dadurch qualifizieren sich die Anwärterinnen und Anwärter für die Funktion als Klassenlehrerinnen und Klassenlehrer, als Lehrkräfte mit dem Schwerpunkt Bewegungsbildung und als technische Lehrkräfte mit dem Schwerpunkt Berufsschulstufe. Hohe Bedeutung im Rahmen der Ausbildung hat die Entwicklung einer reflexiven Lehrerpersönlichkeit, die im Rahmen der Teamarbeit differenzierte Standpunkte einnehmen, diese vertreten und an gemeinsamen Lösungen mitarbeiten kann.
Verhältnisbestimmung: Sonderpädagogik und Kooperation/Inklusion
Diese Professionalisierung und die spätere Berufstätigkeit ist auch in einem Arbeitsumfeld zu leisten, in dem verschiedenartige sonderpädagogische und schulpädagogische Konzepte sowie unterschiedliche Perspektiven aufeinandertreffen. Dies ist unter anderem auch in dem breiten Einsatzspektrum begründet, das von der frühkindlichen Bildung über die schulische Bildung bis hin zur Vorbereitung des Übergangs in ein Leben als junger Erwachsener reicht. In multiprofessionellen Teams gilt es die jeweils anderen Sichtweisen zu artikulieren, zu diskutieren und zu einem qualitativ neuen Verständnis von Unterricht, Förderung und Teamarbeit zu integrieren. Insbesondere hinsichtlich eines gemeinsamen Unterrichts am gemeinsamen Lerngegenstand geht es dann darum, Lernarrangements in der Weise zu begründen, zu planen, zu organisieren, durchzuführen und zu reflektieren, dass alle Schülerinnen und Schüler einer Lerngruppe auf unterschiedlichen Lernniveaus lernen können. Hierzu bedarf es des fachlichen Austauschs "auf Augenhöhe", in der die künftigen Fachlehrerinnen und Fachlehrer die sonderpädagogische Perspektive einbringen und ins Verhältnis zur Perspektive der allgemeinen Schule setzen können. Aus diesem gegenseitigen Verständnis heraus kann die Vielfalt der Schüler und Schülerinnen mit mannigfaltigem Ent-wicklungsbedarf als Potenzial für die Lernentwicklung und die Kooperations- bzw. Inklusionsbestrebungen als Chance für individuelle Bildungsprozesse begriffen werden.
Qualitätssicherung und Qualitätsentwicklung
Um die erreichte Qualität in der Fachlehrkräfteausbildung zu sichern bzw. stetig weiter zu entwickeln, wird die Ausbildung an den jeweiligen Standorten in den Fachseminaren und in der Schule systematisch und kontinuierlich reflektiert und evaluiert. Die Ergebnisse dienen dazu, Weiterentwicklungsbedarfe zu markieren und als Ent-wicklungsperspektiven aufzugreifen. Der Seminarentwicklungsprozesses wird am den jeweiligen Seminarstandorten in einem je eigenen Qualitätshandbuch dokumentiert und fortgeschrieben, das sowohl die aktuellen Qualitätsstandards als auch die künftigen Entwicklungs-perspektiven ausweist.